
Wer mit Gott unterwegs ist, muss jederzeit damit rechnen, auf Engel zu stoßen.
Vergesst aber auch die Gastfreundschaft nicht. Denn auf diese Weise haben schon manche, ohne es zu wissen, Engel als Gäste aufgenommen.
Wäre das nicht aufregend, wenn ein Engel in unserem Wohnzimmer sitzen würde? Würden wir ihn überhaupt als Engel erkennen? Hand auf’s Herz: Einen Engel im weißen Gewand mit Flügeln und mit goldenen Locken auf dem Kopf hat noch keiner von uns gesehen. Woran liegt das? Vielleicht sehen Engel doch ganz anders aus als in unserer Vorstellung. Vielleicht erkennen wir sie einfach nicht oder schauen nicht genau genug hin.
Ich bin überzeugt, dass wir auch heute in unserem Leben Engeln begegnen. Wer schon einmal in einer gefährlichen Situation nochmal mit dem Schrecken davon gekommen ist, kann mit dem Begriff „Schutzengel“ etwas anfangen. Da merken wir sehr konkret, wie Gott in unser Leben eingreift uns uns vor schlimmerem Unheil bewahrt.
Doch auch in unserem normalen Alltag können uns in ganz unscheinbaren Menschen Engeln begegnen. Zum Beispiel in Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung. Diese Menschen haben oft ein ganz feines Gespür dafür, wie es dem anderen gerade geht. Wenn jemand traurig ist, weinen sie mit. Wenn jemand lacht, lachen sie mit. Diese Menschen sind mir mit mehr aufrechter Anteilnahme begegnet, als ich es oft bei völlig gesunden Menschen erlebt habe. Sie freuen sich über den eigenen Erfolg genauso, wie über den Erfolg eines anderen. Bedingungslose Freude, ganz aus dem Herzen gesprochen – ohne Hintergedanken. Diese Ehrlichkeit und Lebensfreude steckt an. Auch solche Menschen setzt Gott uns vor und lehrt uns durch sie, dass es im Leben wichtigeres gibt als Karriere und Konkurrenzkampf. Wie Engel weisen sie auf das, was im Leben wichtig ist. Ein ehrlich gemeintes „Ich hab dich lieb“ überwindet immer noch die meisten Mauern.
Wir begegnen Engeln in Menschen, die anders sind als wir. Und doch scheuen wir uns oft vor solchen Menschen. Sie sind uns fremd. Und wir wissen oft nicht, wie wir mit ihnen umgehen sollen. Doch genau von diesen Menschen redet der Verfasser des Hebräerbriefes hier. Mit „Gastfreundschaft“ ist hier nicht gemeint, dass wir unsere Freunde öfter einladen sollten. Mit „Gast“ ist hier ein Fremder gemeint. Jemanden, den wir nicht kennen. Mit der Ehrlichkeit und der bedingungslosen Liebe ist es da bei uns schnell vorbei. Wenn wir das Wort „Fremder“ hören, kommen doch schnell Vorurteile in uns hoch. Was ist, wenn der mich beklaut, wenn ich ihn zu mir einlade? Was ist, wenn er jeden Tag wieder neu vor meiner Haustür steht und ich ihn nicht mehr loswerde? Was ist, wenn er auf einmal Geld von mir haben will für irgendwas? All diese Bedenken führen dazu, dass wir ihn dann meist doch nicht einladen. Ja, es stimmt schon: Wir werden nicht immer Engel in unserem Wohnzimmer sitzen haben, wenn wir jemand Fremdes zu uns einladen. Es gibt auch böse Menschen. Aber wie oft verpassen wir dadurch die Gelegenheit, einen anderen Menschen kennenzulernen. Wissen wir, ob er nicht von Gott zu uns geschickt wurde? Es macht einen Unterschied, ob wir dem Fremden schon mit Vorurteilen begegnen, oder ob wir offen sind für das, was er Gutes in unserem Leben bewirken kann. Was Gott durch ihn Gutes in unserem Leben bewirken kann.
Doch nicht nur uns ist es geboten, Gäste zu empfangen. Es ist nämlich gar nicht wichtig, welche und wie viele Gäste wir bei uns auf dem Sofa im Wohnzimmer sitzen haben. Oder ob wir uns vor lauter Zweifel, Vorurteilen und Unsicherheiten gar nicht trauen, Fremde einzuladen. Wie es auch kommt: Viel wichtiger ist, dass Gott uns besucht. In der Taufe sind wir Gottes Kinder geworden. Damit stehen wir auf seiner Besucherliste. Wir dürfen mit offenen Augen durch diese Welt gehen. Und vielleicht begegnen wir auf unserem Weg auch Außergewöhnlichem. Denn: Wer mit Gott unterwegs ist, muss jederzeit damit rechnen, auf Engel zu stoßen.
Gedankenanstöße
- Rechnest du damit, in deinem Alltag Engeln zu begegnen? Wenn nein, warum nicht?
- Der 7. Sonntag nach Trinitatis ist klassisch dem Thema „Abendmahl“ gewidmet. Was könnte das Thema Gastfreundschaft mit Abendmahl zu tun haben? Wer ist hier bei wem zu Gast?
- Der Wochenspruch führt über das Thema „Gastfreundschaft“ hinaus: So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen. (Eph 2,19) Hat ein „Mitbürger“ einen Vorteil gegenüber einem „Gast“? Inwiefern? Und inwiefern auch nicht?