
Es gibt so vieles, worauf wir in dieser Zeit warten können. Dass wir endlich alle unsere Freunde, Verwandten und Bekannten wiedersehen können. Dass Begrüßungen mit Handschlag oder Umarmung wieder möglich sind. Dass es mit der Routine, die man so langsam in seinem Alltag gewinnt, noch besser klappt. Doch das Warten kann auch zu einer schweren Prüfung werden. Wie gut ist da so ein Wort, dass (wörtlich) mitten ins Herz trifft:
Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein. (Jer 31, Vers 33)
Kein Warten mehr. Gottes Wort immer im Herzen haben und sich um nichts anderes mehr sorgen müssen. Ganz zu seinem Volk gehören. So schön das klingt – dem ging ein schmerzhafter Abschied voraus.
Das Volk Israel war von Gott besonders ausgezeichnet worden. Am Berg Sinai hatte Gott einen Bund mit ihnen geschlossen. Ein Bund, der Bestand haben sollte, der die Israeliten als Gottes Volk ausweist. Zwei Gesetzestafeln regeln das Zusammensein mit Gott und das Zusammensein mit den Mitmenschen. Ein auf Stein gemeißelter Vertrag. Doch kaum hatte Mose die Tafeln empfangen, tanzte das Volk Israel schon um ein goldenes Kalb herum, das es als seinen (neuen) Gott anbetete. Immer wieder ist das Volk an dem Bund gescheitert, den Gott mit ihnen geschlossen hatte. Das Volk war schlicht nicht in der Lage, diesen Vertrag zu halten.
Der Prophet Jeremia hat von Gott den Auftrag bekommen, das Volk zur Umkehr zu rufen. Sie sollen sich nicht mit anderen Göttern einlassen. Gott ist mit seinem Volk an einen Endpunkt gekommen. Bis hierher und nicht weiter. Das Volk hatte Abschied genommen von seinem Gott und hatte sich andere gesucht. Doch Gottes Abschied war schmerzhafter. Sein geliebtes Volk hatte ihn verlassen. Ein Abschied, der ins Ungewisse führte. Gott hätte alles Recht gehabt, den Bund, den er mit den Israeliten geschlossen hat, für null und nichtig zu erklären. Doch Gott handelt nicht ohne Perspektive. Wie abtrünnig das Volk auch war – Gott lässt einen Endpunkt nicht gelten. Er macht aus dem Endpunkt einen Wendepunkt.
Wenn der alte Bund nicht funktioniert hat, dann muss ein neuer Bund her. Ein Bund, der nicht in Stein gemeißelt ist. Der nicht zerbrechen kann, der nicht verloren gehen kann, der nicht gebrochen werden kann. So einen Bund stellt Gott durch den Propheten Jeremia hier in Aussicht. Ein neuer Bund, der ins Herz und in die Sinne geschrieben ist. Er ist so tief im Menschen verankert, dass Gottes gute Ordnung unser Zusammenleben phantastisch macht. Keiner muss dem anderen mehr sagen, wer Gott ist und wie gut er’s mit uns meint. Jede noch so kleine Schuld, jede noch so kleine Flucht vor Gott wird vergeben. Auch wenn diese Verheißung dem Volk Israel gilt, haben wir alle einen Vorgeschmack dessen bekommen, das unsere Phantasie übersteigt: Gott ist Mensch geworden. In Jesus Christus ist ein unkaputtbarer Bund entstanden, auch für uns heute gilt.
Doch wir sehen gerade in dieser Woche mit Christi Himmelfahrt: Wir haben den endgültigen Wendepunkt noch nicht erreicht. Wir leben noch auf dieser Erde. Wir führen noch Krieg, haben noch Streit mit anderen und müssen noch Abschied nehmen von geliebten Menschen. Die Jünger haben das auch erfahren müssen, als Jesus in den Himmel aufgefahren ist. Sie haben Abschied genommen, ohne genau zu wissen, wie es jetzt weiter geht. 10 Tage später hat Gott seinen Heiligen Geist gesandt, damit das Volk getröstet wird. Aber wiedergekommen ist Jesus noch nicht. Wir warten. Aber anders als das Volk Israel zur Zeit Jeremias, warten wir mit der festen Zuversicht, dass alles gut werden wird. Keine Schuld kann uns davon trennen, dass Jesus wiederkommen wird. Dann wird er uns endgültig an den himmlischen Wendepunkt zu bringen.
Gedankenanstöße
- Auch die Konfirmation ist in gewisser Weise eine Bestätigung Gottes, dass er seinen Weg mit uns weitergehen will. Und es ist zugleich eine Zusage unsererseits, unser Leben mit Gott zu führen. Waren diese Fragen nach einem Leben mit Gott bei deiner Konfirmation schon ein Thema? Wie könnte man eine Konfirmation gestalten, damit das besser zum Tragen kommt?
- Die Jünger Jesu haben an Himmelfahrt Abschied von Jesus genommen. Doch mit der Aussicht darauf, dass Jesus wiederkommen wird, um die Welt von Grund auf zu verwandeln. Würde es dein Leben verändern, wenn du wüsstest, dass Jesus morgen wiederkommt? Was würdest du heute noch tun? Was würdest du heute ganz bestimmt nicht mehr tun?
- Der Introitus für diesen Sonntag sind Worte aus Psalm 27. Sie nehmen uns mit auf eine Reise, die (nach den Aussagen im Text) von der Verzweiflung des Volkes Israel bis zur himmlischen Hoffnung der Jünger reichen könnte. Es lohnt sich, diesen Psalm in dieser Woche einmal ganz bewusst zu beten:
Höre, Herr, meine Stimme, wenn ich rufe. Verbirg dein Antlitz nicht vor mir.
Der Herr ist mein Licht und mein Heil; vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr ist meines Lebens Kraft; vor wem sollte mir grauen?
Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe; sei mir gnädig und erhöre mich! Denn du bist meine Hilfe; verlass mich nicht und tu die Hand nicht von mir ab, Gott, mein Heil!
Ich glaube, dass ich sehen werde die Güte des Herren im Lande der Lebendigen.