
Gottes Wort verkündigen – gegen alle Widerstände? Hesekiel hat eine schwere Aufgabe von Gott bekommen.
Und die Kinder, zu denen ich dich sende, haben harte Köpfe und verstockte Herzen. Zu denen sollst du sagen: »So spricht Gott der HERR!« (Hes 2, Vers 4)
Sind wir heute in unseren Gemeinden bereit, solche schweren Aufgaben der Verkündigung anzunehmen? Wie gehen wir damit um, wenn wir scheitern?
Jugendliche und junge Erwachsene in der Gemeinde zu halten ist nicht immer leicht. Besonders auf dem Land, wo oft kein Studiums- oder Ausbildungsplatz in Sicht ist, wenden sich die jungen Erwachsenen in andere Richtungen. Am Anfang meiner Ausbildung hatte ich die Aufgabe, alle jungen Erwachsenen in der Gemeinde, die nicht mehr am gemeindlichen Leben teilnehmen, zu besuchen. Ich sollte mich als neues Gemeindeglied vorstellen und Kontakt zu Gleichaltrigen aufnehmen. Ein Besuch zu Hause, ein Treffen im Kaffee, so etwas in der Art. Das klingt in der Theorie sehr sinnvoll und spannend. Die praktische Umsetzung bereitete mir Kopfzerbrechen. Wie sollte man die ganze Sache angehen? Ist es nicht zu nah, wenn ich gleich bei ihnen vor der Haustür stehe? Und was, wenn sie eigentlich drauf und dran sind aus der Kirche auszutreten und ich das Fass am Ende noch zum Überlaufen bringe?
Hesekiel hat von Gott eine ganz ähnliche Aufgabe bekommen. Er soll zu den Abtrünnigen des Volkes Israel und anderen Völkern gehen und sie an Gottes Wort erinnern. Nachdem er sich vor unserem Textabschnitt anbetungsvoll vor Gott geworfen hat, wird er nun von Gottes Geist aufgerichtet und ausgerüstet. Das ist keine leichte Aufgabe, die Gott Hesekiel gibt. Er sagt das auch ganz deutlich: Mit stacheligen Dornen und gefährlichen Skorpionen vergleicht er die Außenstehenden. Ständig sind die Israeliten von Gott abgefallen. Was kann Hesekiel da schon ausrichten?
Dreimal wird Hesekiel in diesem kurzen Abschnitt als „Menschenkind“ angesprochen. Er ist ein Mensch. Er ist nicht Gott. Er kann Gottes Wort verkündigen, aber er kann die Herzen der Menschen nicht zu Gott bewegen. Die Botschaft zu akzeptieren, ist die Verantwortung der Hörenden. Die Sache des Boten ist, wirklich die Botschaft Gottes zu bringen. Nicht seine eigenen Gedanken oder Meinungen mitteilen, sondern Gottes Wort unverfälscht an den Mann bringen. Hesekiel hat keine Wahl in dem, was er sagen soll. Den eigenen Verstand auszuschalten und Gott durch sich selbst reden lassen – dazu braucht es Mut und Vertrauen.
Hesekiel wird auf diese Aufgabe vorbereitet, indem er eine Schriftrolle isst und mit einer diamantenen Stirn ausgestattet wird. Er verleibt sich die Worte Gottes ein. Das macht ihn widerstandsfähig. Doch Widerstand ist gar nicht gefordert. „Sie sollen wissen, dass ein Prophet unter ihnen gewesen ist“. Das ist alles. Kein großer Glaubensappell, keine herzzerreißenden Bekehrungsformeln. „Sie gehorchen oder lassen es“. Das klingt nach Willkür. Nach dem Motto: Eigentlich ist es egal, ob die Abtrünnigen am Ende glauben oder nicht. Ja, aus Hesekiels Perspektive ist das so. Er kann keinen Glauben in seinen Hörern wecken. Er hat keinen Einfluss darauf. Aus Gottes Perspektive ist es allerdings alles andere als egal. Denn er überlässt sein Volk nicht dem Schicksal. Er greift ein und sendet Hesekiel zu ihnen, damit sie Gottes Wort hören und umkehren. – „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ – „Ein Haus des Widerspruchs“.
Ich denke an die jungen Erwachsenen in meiner Gemeinde und frage mich, wie ich ihnen begegnen soll. Konfrontativ, wie Hesekiel? Einlenkend, wie Christus am Kreuz? Ich denke, beides ist gefragt. Gottes Botschaft weitertragen, unabhängig davon, ob sie mich vor den jungen Erwachsenen gut dastehen lässt. Und auch erkennen, dass alle Menschen Sünder sind – ich eingeschlossen. Ich werde dem Auftrag nicht immer gerecht werden können. Manchmal wird mir die Kraft fehlen, manchmal der Mut und manchmal die Geduld. Aber ich kann für die jungen Menschen beten. Ich kann sie einladen. Wenn es sein Wille ist, wird Gott den Glauben in ihnen wachsen lassen.
Gedankenanstöße
- Wo siehst du Möglichkeiten, Gottes Wort in deinem Umfeld weiterzutragen?
- Die Verse 9 und 10 habe ich aus meinen Überlegungen ausgelassen: „Und ich sah, und siehe, da war eine Hand gegen mich ausgestreckt, die hielt eine Schriftrolle. Die breitete sie aus vor mir, und sie war außen und innen beschrieben, und darin stand geschrieben Klage, Ach und Weh.“ Inwiefern ist es ein Unterschied, ob man eine Klagebotschaft oder eine frohe Botschaft weiterverbreiten soll?
- Ich habe kurz auf die Szene am Kreuz hingewiesen, wo Jesus die Menschen, die ihn gekreuzigt haben in Schutz nimmt. Verändert das deinen Blick auf die Menschen, die du als „Haus des Widerspruchs“ in deiner Gemeinde / deinem Freundes- und Bekanntenkreis vor Augen hast? Wenn ja, warum?
Das ist ein sehr schöner Beitrag, Claudia, vielen Dank!
Ich möchte Dir Mut machen, das Risiko einzugehen, dass jemand sagt: „Ich habe mit Kirche eh nichts mehr am Hut und möchte austreten“. Das wird es nämlich geben, wenn Du Leute ansprichst, selbst wenn Du sie per Brief ansprechen würdest. Aber was soll es? Warum willst Du sie auf der Gemeindeliste führen? Als Dekoration? Um die Statistik zu frisieren? Nein!
Schön wäre zu erfahren, warum Menschen gehen, die als Kinder und Konfirmanden in unseren Gemeinden waren, jetzt als Erwachsene kein Interesse mehr haben:
• Haben sie den Glauben einfach verloren?
• Haben sie sich eh nur wegen des Geldes und des Drucks konfirmieren lassen?
• Hat die Kirche nichts Relevantes und Schönes zu sagen?
• Finden sie die Haltung unserer Kirche zu Frauen und/oder zu Homosexuellen problematisch oder abstoßend?
• Sind ihre Eltern auch schon nicht zur Kirche gegangen und ist es ihnen so nie zur Gewohnheit geworden?
Einen Menschen habe ich nach dem Grund seines Austritts fragen können und er meinte: „Weil ich seit 20 Jahren nicht mehr zur Kirche gegangen bin“. – Na ja… das ist eine plausible Antwort. Hilfreich ist es nicht.
Und was machen wir jetzt?
Ich glaube, dass das Evangelium seine eigene Kraft hat uns sie entfalten wird, wo und wie der Heilige Geist es will. Es ist nicht hilfreich zu bejammern, dass relativ junge Menschen nicht bereit sind, sich in die Normalität unserer Gemeinden zurückzukehren und einzugliedern. Statt dessen müssen wir uns überlegen, wie wir überhaupt nach außen vermitteln, worum es geht: Dass Gott Menschen ansprechen will durch die Predigt und dass er ihnen nahe sein will im Sakrament. Wie machen wir das genau? Da gilt es, kreativ zu werden und die Gaben einzusetzen, die man hat. Deine freundliche und aufgeschlossene Art ist eine solche Gabe. Nur Mut! Fühl Dich gedrückt 🙂