„Die neue Schöpfung“ (Jubilate, 12.5.2019)

ELKG 038 • Spr 8,22–36Luther 2017Elberfelder

Wir alle kennen die ersten Verse der Bibel im 1. Buch Mose im 1. Kapitel: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis lag auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser. Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht.“ Gott erschafft die Welt – allein. Unser Text heute zeigt uns, dass er doch nicht ganz alleine war.

„Der HERR hat mich schon gehabt im Anfang seiner Wege, ehe er etwas schuf, von Anbeginn her. Ich bin eingesetzt von Ewigkeit her, im Anfang, ehe die Erde war.“ (Verse 22 + 23)

Auch wenn uns diese Worte an die Einleitung des Johannesevangeliums erinnern mögen (Joh 1,1: „Am Anfang war das Wort.“) ist hier in den Sprüchen Salomos nicht von Jesus die Rede. Es geht um die Weisheit. Die Weisheit war schon da, bevor Gott die Welt erschuf. Sie beansprucht, Gottes allererstes Werk zu sein. Was meint „Weisheit“ hier und warum wird sie hier so ausführlich angepriesen?

Im Alten Testament spielt Weisheit in den Büchern Prediger Salomo, Hiob und hier in den Sprüchen Salomos eine wichtige Rolle. In all diesen Schriften geht es darum, eine Orientierung für das Leben in der Welt zu finden. Für die Menschen damals ist klar, dass es von Anfang an so etwas wie eine von Gott festgelegte „Weltordnung“ gibt. Gott schafft die Welt (1. Mose 1) und er ordnet sie, indem er Gesetze für das Zusammenleben der Menschen (und auch von Gott und Mensch) erlässt. An diesen Grundprinzipien kann sich der Mensch orientieren. Schwierig wird es erst, wenn die Weltordnung scheinbar aus den Fugen gerät, wie z.B. bei Hiob. An solchen Stellen wird deutlich, dass wir Menschen keinen Einblick in diese Ordnung haben.

Da stellt sich logischerweise schnell die Frage, warum uns der Wille Gottes überhaupt noch kümmern soll, wenn die Welt sowieso ihren Gang geht und die Ordnung schon fest steht. Unser Text stellt sich diese Frage nicht:

„Hört die Zucht und werdet weise und schlagt sie nicht in den Wind! Wohl dem Menschen, der mir gehorcht, dass er wache an meiner Tür täglich, dass er hüte die Pfosten meiner Tore! Wer mich findet, der findet das Leben und erlangt Wohlgefallen vom HERRN. Wer aber mich verfehlt, zerstört sein Leben; alle, die mich hassen, lieben den Tod.“ (Verse 33-36)

Die Weisheit fragt nicht, warum man Gottes Willen gehorchen soll. Sie sagt schlicht, dass man es tun soll. Und sie zeigt gleichzeitig, welche Folge es hat, nicht auf sie zu hören, also nicht „weise“ zu handeln. Gottes Ordnung zu hinterfragen und sich in wilden Spekulationen zu verlieren, was die Ereignisse auf dieser Welt wohl zu bedeuten haben, ist nicht weise. Am Ende würden wir damit bei den Freunden Hiobs landen, die es zwar „gut gemeint“ haben, an Gottes Willen aber zielstrebig vorbeigelaufen sind. Um zu verstehen, was mit „Weisheit“ hier gemeint ist, hilft ein kurzer Blick in den Abschnitt vor unserem eigentlichen Predigttext: „Mein ist beides, Rat und Tat, ich habe Verstand und Macht.“ (Vers 14) Durch die Weisheit, die von Gott kommt und die von Beginn der Schöpfung an dabei war, regieren die Könige dieser Welt. Und sie tun gut daran, sich durch die Weisheit zu Gott hin lenken zu lassen und sich an ihm und seinem Willen, seiner Ordnung auszurichten. Das Handeln in der Weisheit besteht also vor allem darin, sein Glück bei Gott zu suchen. Gott hat diese Welt weise geschaffen, er erhält sie und er will eine Beziehung zu dieser Welt und zu ihren Bewohnern. Für seine eigene Schöpfung wil Gott nur das allerbeste. Darum können wir uns an seiner Schöpfung freuen, auch wenn die Ordnung dieser Welt uns oft ein Rätsel bleiben wird.

Gedankenanstöße

  • Welchen Menschen aus deinem persönlichen Umfeld würdest du als „weise“ bezeichnen? Was bedeutet es für dich, „weise“ handeln?
  • So große Themen wie „Weisheit“ und „Ordnung der Welt“ sind nicht ganz einfach zu denken, gescheige denn zu verstehen. Wieviel müssen wir deiner Meinung nach von der Ordnung der Welt wissen, damit wir unser Leben auf dieser Erde gut bewältigen können? Was müssen wir unbedingt wissen? Auf welche Informationen können wir auch verzichten?
  • Der Sonntag „Jubilate“ ist von der Fröhlichkeit und dem „Jauchzen“ (= dem sich freuen) über die gute Schöpfung und weise Ordnung Gottes geprägt. Wofür bist du in dieser Woche Gott dankbar?

4 Antworten auf „„Die neue Schöpfung“ (Jubilate, 12.5.2019)“

  1. Folgende Anfrage hat mich per eMail erreicht:

    Warum ist in Sprüche 8, 22-36 nicht von Jesus die Rede?
    Kann Logos in Joh. 1 denn nicht mit „Weisheit“ übersetzt werden?
    Kohlbrügge meint zur Stelle auch, dass es hier um Christus geht.

    1. Ich freue mich über Dein Interesse an meinen Überlegungen zum Text und finde Deine Anfragen durchaus berechtigt. Ich habe mir heute Nachmittag ein paar Gedanken dazu gemacht:

      1) Weisheit ist im Alten Testament ein verbreitetes Thema (viel ausführlicher und tiefgehender als im Neuen Testament), besonders in den Sprüchen Salomos. Pauschal die „Weisheit“ immer auf Jesus zu beziehen funktioniert nicht. Aber hier in Spr 8 erscheint die „Weisheit“ derart personalisiert, dass manche älteren Ausleger (wie Kohlbrügge, 19. Jh.) die Weisheit hier tatsächlich mit Jesus identifiziert haben.
      2) In der griechischen Übersetzung des Alten Testaments (Septuaginta) wird hier aber das Wort „sophia“ verwendet, nicht „Logos“, obwohl auch „Logos“ gelegentlich im Alten Testament vorkommt.
      3) Das Wort „sophia“ bezeichnet Verstehen, Weisheit oder Lebensklugheit. „Logos“ bedeutet in der Septuaginta Wort, Sache oder Wirklichkeit (vgl. den Wibilex-Artikel „Logos“). Nach meinen Wörtbüchern jedoch nicht „Weisheit“.
      4) In Spr 8 ist die „Weisheit“ eine Umschreibung für Gottes Heiligkeit, die im damaligen Judentum nicht explizit ausgesprochen werden durfte (wir kennen das aus der Umschreibung „adonaj“ für „Jahwe“). Ob in diese Heiligkeit Gottes auch Jesus eingeschlossen ist, können wir nicht mit Gewissheit sagen.
      5) Und zu guter Letzt: Du hast damit Recht, dass man Jesus und Weisheit theologisch in gewisser Weise gleichsetzen darf, da „sophia“ und „logos“ auf der gleichen Entwicklungsschiene liegen. Die „sophia“ ist aber eher als eine Art Vorstufe von „logos“ zu betrachten (Johannes hat sicherlich auf die Gedanken und Schulen der damaligen Gelehrten zurückgegriffen). Jesus und Weisheit sind somit verwandt, aber nicht einfach dasselbe.

      Ich hoffe, dass ich Dir damit etwas weiterhelfen konnte und nicht zuviel Verwirrung gestiftet habe.

      Herzliche Grüße,
      Claudia

      1. Danke! Dass ich mit logos als Weisheit falsch lag, darauf bin ich inzwischen auch gekommen. Aber mir ist gerade auch im AT immer die Frage wichtig, wo hier Christus vorkommt. Vielleicht ein heißer Tip: 1. Korinther 1, 30.

        1. In Sirach 24, 3 rühmt sich die Weisheit, vom Munde des Höchsten ausgegangen zu sein. Ist sie also doch dem Logos näher?
          Einen gesegneten Sonntag und gute Gedanken!
          Thomas

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